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Exklusive beeindruckende Preview am 21.3.2019

Ein Modetagebuch aus der Renaissance – Und wie man eine Ausstellung daraus macht

Das HAUM wartet am 8. Mai mit einer beglückenden neuen höchst interessant gestalteten Ausstellung auf: Dressed for Success - Matthäus Schwarz und sein Modetagebuch des 16. Jahrhunderts. Die Museumsfreunde hatten jetzt schon vorab Gelegenheit die Highlights dieser Ausstellung zu besichtigen. Ihren Aufbau mitzuerleben. Ein begeisterndes und begeistertes junges Team um Kuratorin Dr. Martina Minning zeigte anhand von Modell, Stoffproben und Wandfarben, wie akribisch die Ausstattung so einer Ausstellung vorbereitet wird. Da ging es von Ausleihmodalitäten über Ausstattung der Vitrinen, Klimabedingungen bis Schriftgrößen und Präsentation. Verblüffend wie viele verschiedene Fachrichtungen hier zu einem Gesamtentwurf verschmelzen. Der neue Hausherr im HAUM, Dr. Thomas Richter, begrüßte als sozusagen erste Amtshandlung die Museumsfreunde und gab seiner Freude über die ersten Gespräche Ausdruck. Ganz nach dem Motto von Matthäus Schwarz „ jedes Warum hat sein Weil“. Auch Elisabeth Steifensand, die Vorsitzende des Freundeskreises, hatte in ihrer Begrüßung die Begegnungen als sehr positiv und zugewandt geschildert und freute sich über die diesmal eine so ungewöhnliche Preview, welche die rund 50 Freunde sozusagen hautnah in den Entstehungsprozess der Ausstellung einbezog.

Sein Patron war mächtiger als der Kaiser

Kein Mensch war reicher als Jakob Fugger in Augsburg (1459 – 1525). Der Enkel eines bäuerlichen Webermeisters aus Graben bei Augsburg war der reichste Mann der Historie, selbst nach heutigen Maßstäben. Sein Vermögen, das nach jetziger Kaufkraft 400 Milliarden Dollar betrug, würde selbst Bill Gates blass aussehen lassen. Er war der bedeutendste Bankier Europas (umging das Zinsverbot, führte gegen den Widerstand der Kurie Zinsen ein, die Christen verboten waren), Montanunternehmer (Kupfermonopol in Europa) und Kaufherr (u.a. Gewürze aus Ostindien).

Machtpolitisch unterstützte dieser Handesherr Maximilian I., den letzten Ritter, der ihm sozusagen alle Einnahmen aus Tirol verpfändete aber damit den Aufstieg des Hauses Habsburg sicherte. Er konnte sogar einem Kaiser (Karl V., der dann der mächtigste Mann des Abendlandes war, in dessen Reich die Sonne bekanntlich nicht unterging) den Wahlkampf finanzieren, ihn sozusagen kaufen, und diesen später ganz unverblümt und gar nicht devot an seine Schulden erinnern. Er verpflichtete sich auch den Klerus durch Kredite und lieh dem preußischen Herzog Albrecht zu Brandenburg Geld. Seiner Frau Sibylla schenkte Fugger zur Hochzeit mal eben Schmuck aus dem Burgunderschatz.

Fugger ackerte wie ein Ochse, hatte ein weltumspannendes Netzwerk, war skrupellos und ein Visionär, ging aber auch extreme Risiken ein. Ein geistiger Revolutionär, der alles für möglich erklärte. Sein Erfolgsrezept ähnelt dem von Steve Jobs. Fugger brachte es als Bürgerlicher bis zum Reichsgrafen (Seit 1514). Er war aber auch ein großzügiger Kunstmäzen und engagierte sich im sozialen Bereich, seine Stiftungen funktionieren heute noch.

Der Kleidernarr im goldenen Kontor

Matthäus Schwarz (1497 – 1574) war nach einer Kaufmannslehre in Mailand und Venedig der Hauptbuchhalter in diesem weltumspannenden Imperium, in Zeiten des Umbruchs der politischen Landschaft der Alten Welt. Wobei die Bezeichnung „Buchhalter“ wirklich viel zu kurz greift, dieser Tage würde man ihn sicher als CEO bezeichnen. Es gibt ein Bild von ihm und seinem Dienstherrn im Kontor, in der goldenen Schreibstube der Fugger. Dieser wichtige Vertraute im Fuggerschen Imperium hat nun jedes Jahr ab 1520 – rückwirkend jedoch von der Wiege an – mit Ganzkörperbildern seine Kleidung dokumentiert, schrieb wofür er sie kaufte und zu welchen besonderen Anlässen er sie trug. Vom Kleinstkindalter bis zum Tod seines zweiten Chefs, des Reichsgrafen Anton Fugger, der 1560 stirbt, als Schwarz 63 Jahre zählt. Akribisch vom Barett bis in die letzte Falte auch hier – ein Maler aus Christoph Ambergers Werkstatt in Augsburg (immerhin in der Münchner Ruhmeshalle vertreten, dürfte also nicht ganz preiswert gewesen sein) verewigt das Gewand, das der Fuggersche Geschäftsführer sich dafür anfertigen lässt.

Seine Zeitgenossen geben ihm übrigens den Spitznamen „Kleidernarr“. Die damals noch strenge Kleiderordnung der Stadt Augsburg, die für Bürgerliche galt, sie sollte den sozialen Frieden sichern, hat er mit seinen Kreationen sicher oftmals bis an die Grenzen und darüber hinaus ausgereizt.

Museumsmodenschau mit Matthäus Schwarz

Das kleine handliche Kleidungsbüchlein, auch als Trachtenbuch bekannt, es ist nur 10,8 cm breit, enthält 139 Bilder, darunter zwei Nacktbilder um die Figur zur dokumentieren – von hinten und von vorne – ist der grandiose Höhepunkt der Ausstellung, wird in einer goldenen Stoffkammer präsentiert und nur dreimal während der Ausstellungszeit umgeblättert.

Diese lebenspralle Bilderhandschrift, ein einmaliges Renaissance Kleinod, stand zunächst in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. 1648 wurde es der Bibliothek bzw. Herzog August dem Jüngeren, für 40 Reichstaler in bar angeboten, von da gelangte es ins Kupferstichkabinett des Museums. Vor zwei/drei Jahren wurde es schon einmal als Mittelpunkt einer Ausstellung angekündigt: Mode der Renaissance. Doch leider hat sich kaum bürgerliche Mode aus dieser Zeit erhalten. Sie wurde im Gegensatz zu der höfischen aufgebraucht, so die Kuratorin.

Jetzt sieht man, dass es auch ohne solches Beiwerk eine Ausstellung trägt. Allein durch die lebensnahen Darstellungen und dazugehörenden Erklärungen. Bestimmend dafür ist das absolute Highlight dieser Schau: Ein Lichtleporello, das alle Bilder in größerem Format und mit zeitgemäßer Übersetzung zeigt. Es macht das Buch begeh- und das Leben von Schwarz erlebbar, man kann so bequem den modischen Lebensweg dieses vielseitigen Mannes Jahr für Jahr verfolgen. Sieht ihn bei Genuß, mehrfachem Crash bei Pferde-Schlittenfahrten in Augsburg, wie er seine zunehmende Fülligkeit beklagt und was er sich zur Hochzeit leistet.

Das Lebensumfeld dieses interessanten Mannes wird selbstredend in der Ausstellung ebenfalls gezeigt mit internationalen Leihgaben, er selbst als Auftraggeber hochkarätiger Kunstwerke präsentiert, dies jedoch erst wenn es zur Fertigstellung dieser Geschichtsträchtigen und berührenden Schau kommt.

Text: Eva-Maria Dennhardt